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Ein Arbeitshandy ohne Google (und Apple)

Die vergangenen 1,5 Jahre haben im System Schule einige Veränderungen angestoßen. Einiges zum Guten, anderes leider auch in die entgegengesetzte Richtung. Ich möchte hier nun keine Analyse der Veränderungen aufzeigen, sondern mir die “Erreichbarkeit von Lehrkräften” als einen Punkt herausgreifen.

Lehrkräfte und besonders Schulleitungen haben in den letzten Monaten erleben müssen, dass der Arbeitstag einer Lehrkraft keinesfalls um 13.30 Uhr endet (wie in der öffentliche Wahrnehmung mitunter vermutet wird) und auch nicht nach 8 oder 9 Arbeitsstunden (wie es vielleicht in anderen Berufen üblich ist), sondern mitunter eine 24/7-Erreichbarkeit erwartet wird. So müssen Schulleitungen (oder entsprechend beauftrage Lehrkräfte) an Grundschulen in NRW die Ergebnisse der Pooltestungen nahezu täglich in Empfang nehmen und im Falle einer positiven Testung recht zügig die notwendigen Maßnahmen einleiten. Dazu gehört unter anderem, alle betroffenen Eltern zu informieren und um die Abgabe der zweiten Probe zu bitten - ein mitunter nervenaufreibendes Unterfangen. Eltern sind eben nicht 24/7 erreichbar. Die zweite Probe muss aber bis 9 Uhr in der Schule sein. Nicht selten kommen die Ergebnisse der Pooltestung erst in der Nacht an, so dass entsprechende Prozesse erst morgens um 6 Uhr begonnen werden können. In weiteren Folge der Fallbearbeitung muss man dann z.B. auch für die Gesundheitsämter erreichbar sein - und ggf. auch für besorgte Kolleg*innen und Eltern.

Die Bewältigung der Pooltestungen ist nur ein kleiner Ausschnitt, in dem sich “Erreichbarkeit” verändert hat und Schule in den privaten Bereich eindringt (denn wenn um 23 Uhr abends das letzte Ergebnis eintrifft, ist man in der Regel nicht mehr in der Schule). Es gibt natürlich zahlreiche weitere Beispiele, in denen “Schule” und “Zuhause” inzwischen schlechter zu trennen sind. Durch Distanz- und Hybridformate haben Unterricht, Fortbildungen, Elternberatung, Konferenzen und weitere schulische Termine von zu Hause aus stattgefunden. Dies bringt mit Sicherheit viele Vorteile mit sich - ich will diese Entwicklung keinesfalls anprangern - jedoch wurde und wird es hierdurch ggf. zunehmend schwierig, Berufliches und Privates zu trennen. In Ermangelung von angemessenen Arbeitsräumen in den Schulen waren es Lehrer*innen schon lange gewohnt, die Unterrichtsvor- und -nachbereitung in den heimischen Räumlichkeiten zu absolvieren. Die berufliche Nutzung der eigenen vier Wände hat aber pandemiebedingt deutlich zugenommen.

In anderen Branchen ist dies schon lange üblich - auch schon vor der Pandemie - keine Frage. Aber dort stattet der Arbeitgeber seine Mitarbeitenden in der Regel angemessen aus: Zuschuss zu Büromöbeln, dienstliche EDV-Anlage, dienstliches Mobiltelefon sind hier wohl nur ein paar Beispiele. Lehrkräfte haben nun immerhin ein Dienstgerät (iPad oder Laptop) aus dem Einsteigersegment - für mehr dürften aber die 500€ in der Regel nicht gereicht haben. Für viele Aufgaben muss auch weiterhin die private Ausstattung herhalten. Für Telefonate mit Kolleg*innen, besonders aber mit den Eltern und Schülern nutzen Lehrkräfte sehr oft den privaten Telefonanschluss bzw. Mobilfunkvertrag. Um den Bogen zu den Pooltestungen zu spannen: die Ergebnisse der Testungen werden allabendlich sehr oft auf die privaten Handys von Schulleitungen per SMS übermittelt, denn dienstliche Mobiltelefone haben selbst Schulleitungen oftmals nicht.

Sofern man das private Mobiltelefon für die Kommunikation mit Eltern verwendet, tut man in der Regel gut daran, seine eigene Nummer vor dem Telefonat zu unterdrücken (siehe: https://www.stern.de/digital/smartphones/nummer-unterdruecken--so-verbergen-sie-ihre-telefonnummer-beim-anruf-9263032.html ). Es soll durchaus Eltern geben, die andernfalls die Nummer der Lehrkräfte a) munter weitergeben und b) wegen jeder Kleinigkeit bei der Lehrkraft anrufen oder sich über Messengerdienste melden. Dies ist nervenraubend und aus Sicht der Lehrkraft ein weiterer Bruch in der Mauer zwischen Beruflichem und Privatem.

dienstlich genutztes Smartphone

Die Idee, sich selbst ein Smartphone anzuschaffen, das ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird, ist keinesfalls neu. Viele Lehrkräfte verfahren schon seit längerer Zeit so, um eine bessere Grenze zwischen Schule und Freizeit zu ziehen, aber dennoch auch außerhalb der Schulmauern erreichbar zu sein. Mit einem günstigen Smartphone (oder gar einem Billigsttelefon wie diesem Exemplar hier: https://www.amazon.de/Nokia-Mobiltelefon-Farbdisplay-Dual-Sim-Version-Schwarz/dp/B07WGZZN56/ref=sr_1_3?dchild=1&keywords=mobiltelefon&qid=1635625874&sprefix=Mobiltele%2Caps%2C126&sr=8-3) und einer PrePaid-Karte kann man hier für vergleichsweise wenig Geld im Bereich “mobile Telekommunikation” eine Abgrenzung der beiden Lebensbereiche erreichen. Natürlich ist auch dies wieder privates Geld für schulische Zwecke - aber es wird noch Jahre dauern/nie passieren, bis Lehrer*innen auch in diesem Segment durch die Dienstherren ausgestattet werden. Streng genommen hat man mit dieser selbstfinanzierten Lösung auch kein “Dienstsmartphone”, sondern ein privat finanziertes Telefon für berufliche Zwecke. Diese Unterscheidung ist z.B. wichtig für den Datenschutz und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Eltern auf diesen Geräten. Bezogen auf NRW müsste man sich zum Beispiel die Nutzung dieses Privatgerätes durch die Schulleitung genehmigen lassen, sofern man zum Beispiel ein Adressbuch mit den Kontaktdaten der Schülerinnen auf dem Telefon ablegen möchte oder gar E-Mails empfangen will.

gesucht: Berufstelefon, besonders datenschutzfreundlich

Ich habe in der letzten Woche diesen Weg nun eingeschlagen. Ich besitze nun ein Smartphone, das ich ausschließlich für berufliche Zwecke nutzen möchte. An Wochenenden und in den Ferien kann ich dies dann auch bewusst ausschalten und in die Nicht-Erreichbarkeit wechseln - so der Plan. Das private Telefon ist nun wieder privat - keine Dienstmails, keine Schulmessenger, keine SMS des Labors. Erkauft mit privatem Geld und dem Umstand, nun mit zwei Telefonen in die Schule zu fahren.

Bei der Wahl des Gerätes wollte ich direkt ein (recht nerdiges) Vorhaben umsetzen: Ich wollte ein Telefon haben, das nicht an Google oder Apple gekoppelt ist. Sowohl iOS, aber insbesondere Android-Smartphones sind ja sehr eng an Apple bzw. Google gekoppelt. Mit viel Geduld und Wissen kann man viele dieser Verbindungen trennen oder abschwächen, aber ganz ohne den Kontakt nach Cuppertino bzw. Mountain View geht es dann doch nicht.

Eine Lösung sind hier alternative Betriebssysteme. Hier gibt es z.B. Lösungen auf Linux- bzw. Android-Basis, die Googlefrei sind und dadurch datenschutzfreundlicher sind. Die bekanntesten alternativen Betriebssysteme dürfen LineageOS (https://lineageos.org/) und /e/ (https://e.foundation/) sein. Sie werden unter offener Lizenz entwickelt und basieren auf aktuellen Androidversionen.

Die Suche nach dem passenden Smartphone

Die Reise in die schöne, datenschutzfreundliche Welt hat jedoch einen großen Haken: die alternativen Betriebssysteme müssen in der Regel durch freiwillige Programmierer*innen an die verschiedenen Smartphonemodelle angepasst werden. Dies nimmt in der Regel einige Zeit in Anspruch - oftmals sind die Geräte, für die Portierungen verfügbar sind, dann schon nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich. Ich wollte jedoch gerne ein fabrikneues Gerät haben - nicht zuletzt um einen jungfräulichen Akku nutzen zu können.

Nach längerer Recherche entdeckte ich, dass /e/ für das Gigaset G290 verfügbar ist (https://www.gigaset.com/de_de/gigaset-gs290/). Das Gerät ist zwar auch schon seit über 2 Jahren auf dem Markt und eindeutig ein Einsteigergerät, aber als Berufstelefon sollte dies ausreichend sein. Mit 125€ ist dieses Gerät aktuell auch noch recht günstig und neu zu bekommen.

/e/ installieren

Die Installation des neuen Betriebssystem war erstaunlich schnell erledigt. Ich umreiße hier nur kurz die wichtigsten Schritte und verweise ansonsten auf vorhandene Anleitungen. Es ist allerdings ein recht nerdiges Vorhaben - für Einsteiger*innen ist dies nicht zu empfehlen. Es gibt auch einen Easy-Installer, der wohl vieles einfacher machen soll, da dieser aber nur bisher nur in einer Beta-Version vorliegt, habe ich mich nicht getraut, diesen zu verwenden.

Folgende Schritte habe ich durchlaufen:

Insgesamt war ich damit wohl 2-3 Stunden beschäftigt, wobei schon der Updateprozess zu Beginn sehr viel Zeit gekostet hat. Es ist jedoch wichtig, dass das G290 auf Android 10 läuft ehe man beginnt. Ausgeliefert wird das G290 noch mit Android 9.

/e/ nutzen

Danach konnte ich schon loslegen und /e/ nutzen. Obschon das Telefon 2 Jahre auf dem Buckel hat, läuft Android 10 recht geschmeidig darauf. Es gibt keine störenden, zwangsinstallierten Apps, sondern ausschließlich Grundlagen-Apps (E-Mail, Kalender, Browser, Kamera, …). Über einen App-Store sind viele der Apps verfügbar, die auch im Playstore zu beziehen sind - allerdings eben nur kostenlose Apps. Kostenpflichtige Apps müssten ja bezahlt werden - ohne Playstore ist dies nicht möglich. Die Verbindung mit unserer schulischen Nextcloud war problemlos möglich. Via Webdav, Carddav und Caldav kann ich nun alle schulischen Daten, Kalender und Adressbücher auf dem Diensttelefon nutzen. Und auch sonst habe ich für alle Zwecke eine kostenlose App gefunden. Es hat sich hier bezahlt gemacht, dass ich auch schon vorher immer bemüht bin, Open-Source-Software zu nutzen. Meine Highlights sind hier:

  • Fairmail
  • Joplin, um Notizbücher in der Nextcloud anzulegen und über mehrere Geräte zu synchronisieren
  • Davx5, um Kalender und Adressbücher via CalDav/CardDav einzubinden
  • Etar als Kalenderprogramm
  • Brave als Browser

Einschränkungen

100% rosig ist die Welt mit einem ent-googleten Telefon jedoch nicht. Auf das Problem das reduzierten App-Store hatte ich ja schon verwiesen. Doch auch in den weniger prominent sichtbaren Bereichen fehlende Dienste, die sonst über Google angeboten werden. Was mir vorher nicht bewusst war: viele Apps nutzen z.B. Googledienste, um Pushmitteilungen auf das Smartphone zu bringen. Wenn beispielsweise eine Kurznachricht über einen Messengerdienst verschickt werden, wird diese über einen Googledienst an das Smartphone geschickt. Mit der Kappung der Google-Verbindungen funktioniert dies nun eigentlich nicht mehr. Glücklicherweise ist in /e/ von Hause aus ein Tool namens MicroG aktiviert, das hier bei vielen Apps für Abhilfe sorgt. Auch ohne Google-Account kommen Pushmitteilungen auf dem Smartphone an, so dass z.B. Nachrichten von Threema oder dem Moodle-Messenger zeitnah zugestellt werden. Leider klappt dies ausgerechnet bei Nextcloud Talk nicht. Ich habe einige Zeit gesucht, woran dies liegt, bin aber letztlich nicht weiter gekommen. Faktisch werden Nachrichten zwar zugestellt, man muss jedoch den Messenger aktiv öffnen, um über neue Nachrichten informiert zu werden. Dies ist besonders ärgerlich, da wir diesen Messenger im Kollegium verwenden. Hier muss ich noch nach einer guten Lösung suchen und bis dahin das Dienst-iPad fürs Messenging verwenden.

Zwischenfazit

Ich bin vorerst sehr angetan von dem Gerät und /e/ als Betriebssystem. Innerhalb der ersten 24 Stunden konnte ich alles so einrichten, wie ich es auch auf dem privaten Smartphone hatte (Synchronisierungen mit der Nextcloud, E-Mail-Konten samt PGP-Schlüssel, Messenger etc.). Nun bin ich gespannt, ob das System a) weiterhin stabil läuft und b) sich die Trennung von Privat-Smartphone und Berufs-Smartphone bewährt. Slten hatte ich bei der bisherigen Nutzung kleine Lags, also kurze Pausen, in denen das Smartphone nicht reagiert hat. Dies werde ich einmal weiter beobachten.

Aber ich hab doch schon ein Dienst-iPad !?!

Meine bisherigen Lösungen zur Trennung von beruflicher und privater Telekommunikation bestanden in der Nutzung eines zweiten, getrennten Gerätes mit eigener SIM-Karte. Will man kein zweites Smartphone mit sich herumschleppen oder zusätzliche Kosten in Kauf nehmen, kann man unter gewissen Umständen auch das Dienst-iPad als “dienstliches” Telefon nutzen. Möglich wird dies durch den Dienst bzw. “Satellite” von sipgate (https://www.satellite.me/). Mit dieser App bzw. diesem Dienst kann man aus dem iPad ein Mobiltelefon machen. Man erhält durch den Dienstleister eine echte Mobilfunknummer, unter man einerseits angerufen werden kann, andererseits aber auch selbst Gespräche führen kann. Die App an sich ist kostenlos, es kann jedoch ein kostenpflichter Dienst dazugebucht werden. In der kostenfreien Variante können pro Monat 100 Freiminuten vertelefoniert werden. In der kostenpflichtigen Version, die monatlich 5€ kostet, kann unbegrenzt telefoniert werden. Zudem können Erreichbarkeitsprofile angelegt werden und dadurch gezielt “Auszeiten” festgelegt werden. Anrufen werden dann automatisch an die Mailbox geleitet werden. SMS können bei beiden Tarifen nicht verschickt oder empfangen werden. Sofern sich das iPad in einem WLAN befindet, ist man über eine individuelle Mobilnummer erreichbar und kann selbst telefonieren. Sofern man das WLAN verlässt oder das iPad ausschaltet, endet auch die Erreichbarkeit. Telefonieren mit dem iPad geht bei dieser Lösungen natürlich immer nur im Freisprechmodus oder mit einem Headset - für vertrauliche Gespräche oder die Nutzung im Lehrerzimmer ist diese Variante daher nur bedingt geeignet.

Im folgenden Video erläutere ich die Installation und Ersteinrichtung der App:

Fazit (tldr)

Die Trennung von beruflicher und privater Erreichbarkeit ist möglich - aber ggf. mit privat zu tragenden Kosten verbunden. Mit Hilfe alternativer Betriebssysteme kann hierbei noch ein besonderer Augenmerk auf Datenschutz gelegt werden. Günstiger geht es mit dem kostenlosen Dienst satellite, der aus dem Dienst-iPad ein (fast) vollwertiges Telefon machen kann.