Derzeit versuche ich die Kinder meiner Lerngruppe an das Schreiben einer Geschichte heranzuführen. Schon früher habe ich in diesem Blog erläutert, dass unsere Schule (und damit auch ich) dabei auf das Konzept des Geschichtenplaners setzt, der die Kinder von Beginn an eine tragfähige Geschichtenstruktur heranführen soll. Ziel des Planers ist es, den Schreibprozess so weit zu entlasten und zu unterstützen, dass sinnvolle Geschichten entstehen können. In vielen Fällen habe ich damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Doch was tut man, wenn es den Kindern schon schwer fällt, den Plan der Geschichte zu entwerfen, ihnen also keine recht Idee für die Geschichte einfallen mag? Hier habe ich nach guten Lösungen gesucht … und am Wochenende vielleicht etwas gefunden.
Schreibanlässe – immer eine Hilfe?
Das Schaffen von motivierenden Schreibanlässen ist nicht einfach. Zudem müssen Schreibanlässe aus meiner Sicht nicht nur motivierend sein, sondern es auch ermöglichen, dass sinnvolle Geschichten entstehen, in denen die Hauptfigur eine Aufgabe/ein Problem lösen müssen und dessen Lösung dann das Ende der Geschichte markieren. Bekannt als Schreibanlässe sind zum Beispiel Reizwörter, Bilder und Zeichnungen verschiedenster Art, literarische Vorlagen (was könnte der Held des Buches denn noch erleben?) oder reale Gegenstände (die Liste der „Schreibanreger“ ist an dieser Stelle mit Sicherheit nicht vollständig …). Motivierend sind mit Sicherheit einige der Ansätze, aber oftmals fällt es den Kindern dennoch schwer, ihr „Kopfkino“ einzuschalten und Idee zu entwickeln, was in der Geschichte passieren könnte. Drei gewürfelte Bildchen sind für kreative, pfiffige Kinder bestimmt eine tolle Anregung. Oft sitzen die Kinder allerdings vor dem leeren Blatt/dem leeren Planer und schauen recht verzweifelt drein, weil keine rechte Idee kommen mag. Oder die Geschichte ist bereits nach wenigen Sätzen beendet. Selbst die Vorgabe eines Problems bzw. eines Anfangs ist dann mitunter keine Hilfe, weil die Kinder sich nur sehr schwer in die Gedanken der Lehrkraft hinein versetzen können.
Kopfkino? – Kino !!
Der Gedanke des Kopfkino brachte mich dann zu der Idee, wieso man Geschichtenideen bzw. Anfänge nicht einfach in „Kinoform“ anbietet. Daher wollte ich einen kleinen Film in (sehr grober) Stop-Motion-Technik erstellen, in dem die Hauptfiguren und das Problem der Geschichte deutlich gemacht werden. Hierzu habe ich mir ein kleines Problemchen ausgedacht und mit Playmobil-Figuren umgesetzt (zur Technik später mehr). Dabei habe ich ganz bewusst auf gesprochene Dialoge, Erzählertexte oder gar Musik verzichtet. Einerseits sollen die Kinder sich voll auf die Handlung konzentrieren können, andererseits sollen die Kinder beim späteren Verschriften nicht sprachliche Muster der Verlage übernehmen. Der fertige Film sah dann so aus:
Das Video ist ebenfalls bei Youtube bzw. Invidio.us (die datensparsame Alternative) abrufbar. Ich habe den Film heute in Ermangelung an Endgeräten auf dem IWB angesehen. Noch effektiver wäre es natürlich, wenn sie die Schüler bzw. Schülerpaare individuell auf einem Tablet mit dem Filmfragment auseinandersetzen könnten, aber da muss ich derzeit noch ein wenig warten. Angelegt ist dieser Zugang in der Methode jedoch bereits.
Durch den kleinen Film war für die Kinder bereits ein Teil der Planung erledigt. Vor allen Dingen aber läuft durch den „Film“ das Kopfkino der Kinder viel besser an. Handlungen sind nicht nur abstrakt in einzelnen Gegenständen, Erzählungen oder Worten dargestellt, sondern sichtbar. Der Ort und die Figuren sind die Kinder vor Augen. In der Erprobung konnten alle Kinder sehr schnell und vor allem sehr detailliert erzählen, was in der Geschichte bisher passiert ist.
Zudem habe ich im Film bereits (sehr dezent) einen Hinweis versteckt, wie das Problem ggf. gelöst werden kann (der Hund im Haus des Mädchens könnte als Spürhund fungieren). In der Erprobung (durchgeführt mit Tandemschreiben) hat sich der Hinweis als hilfreich für die Kinder erwiesen, die sich beim Finden einer Idee trotz der medialen Unterstützung noch immer schwer getan haben. Es war aber keinesfalls so, dass ich durch diesen versteckten Hinweis die Geschichten von einem Großteil der Kinder in eine bestimmte Richtung gelenkt hätte. Viele Kinder kamen selbst auf tolle Ideen zur Lösung (oder haben den Hund gar nicht wahrgenommen). Die gefunden Lösungen waren breit gestreut: sei es, dass die Polizei anrücken musste oder eine Überwachungskamera am Haus versteckt war. Zudem hat der Dieb ja auch Fußspuren im Gras hinterlassen, anhand derer das Mädchen schnell die Verfolgung aufnehmen konnte :).
Spielerisch differenzieren
Mitunter zeigte sich aber, dass die Ideen der Kinder zur Lösung nur tröpfchenweise kamen …. oder sehr knapp gefasst waren. Für diese Kinder hatte ich ein paar Playmobilsachen als Anschauungsmaterial dabei. Teils waren dies Sachen, die naheliegend waren (ein Polizist, ein Telefon, eine Karte mit einem Fingerabdruck), teils aber auch Dinge, die mir in der Playmo-Schublade meiner Kinder so in die Hand gefallen waren. Durch die Auseinandersetzung mit diesen Sachen konnten dann einige Ideen entwickelt werden. Und für die sprachlich besonders schwachen Kinder gibt es im Förderunterricht in dieser Woche ein besonderes Highlight: Herr Emrich bringt seinen Bauernhof und weitere Playmobil-Requisiten mit in die Schule, so dass die Kinder ihre Ideen zur Lösung spielerisch ausprobieren können. Dabei werde ich den Fokus besonders auf die mündliche Versprachlichung der Spielhandlung legen. Wenn dies gelingt, ist schon sehr viel gewonnen bei diesen Kindern. Das Aufschreiben der Ideen kann dann mit Untersützung später geschehen.
Fortsetzung folgt
Die heute entstandenen Planungen werden im Laufe der Woche in Geschichten umgesetzt (auch wieder in Schreibtandems). Dabei wird sich die Arbeit natürlich mehr auf den schriftlichen Teil des Schreibprozesses begeben: Formulieren von Sätzen, Einhaltung von Satzgrenzen, vollständige Abbildung der Planung usw.). Ich bin gespannt, wie die Ergebnisse ausfallen werden. Das Format bietet aber darüber hinaus Anreize, auch nach dem Schreiben noch fortgeführt zu werden. Warum sollten die Kinder ihre Lösung der Geschichte nicht auch selbst spielerisch darstellen und als Stop-Motion-Film aufnehmen? Und warum sollten sie den fertigen Film nicht mit Dialogen versehen, so dass ein „richtiger“ Film entsteht? Durch den Einsatz von Tablets ist der technische Aufwand hierzu sehr gering. Zudem braucht der Film nicht viele Bilder, so dass die Erstellung nicht so zeitaufwendig ausfällt, wie andere Stop-Motion-Projekten.
Die Technik dahinter
Die Erstellung des Films war recht schnell gemacht. Die Bilder habe ich mit meiner Spiegelreflexkamera gemacht. Mit dem Tablet wäre es natürlich auch gegangen, jedoch habe ich durch das Objektiv der Kamera eine gute Tiefenunschärfe hinbekommen, die mir das Tablet nicht geliefert hätte. Mit ihr gelingt es besser, den Blick der Kinder auf das Wesentliche zu lenken. Zudem kann man damit einige Dinge dezent im Hintergrund andeuten (z.B. den Hund oder den Dieb hinter dem Gebüsch). Die fertigen Bilder habe ich mit Hilfe von Powerpoint zu einer kleinen Präsentation verarbeitet (inkl. Tonaufnahme meiner Erklärung) und als MP4-Datei exportiert. Insgesamt war dies in gut 30 Minuten erledigt. Die PPT-Datei findet ihr hier. Auf die gleiche, einfache Weise ließe sich der Film auch mit Keynote auf dem iPad erstellen. Denkbar wäre auch die Umsetzung mit dem BookCreator, wobei es dann kein Film, sondern ein Buch wäre. Somit lässt sich auch die Aufnahme der Fortsetzung sehr gut im Unterricht umsetzen.
Wie geht es weiter?
Ich warte nun einmal ab, was die Erprobung in meiner Klasse und den Klassen meiner Kolleginnen so ergibt. Davon werde ich natürlich zu gegebener Zeit berichten. Zudem bin ich natürlich offen für Feedback jeder Art in den Kommentaren. Sollte sich die Methode bewähren, könnte ich mir vorstellen, noch weitere Filmschnipsel zu erstellen, die dann als Schreibanlässe für die Arbeit der Kinder (und Eure Arbeit) bereitstehen. Zudem befürchte ich, dass ich meinen Kindern ein bisschen Playmobil klauen muss, um einen Fundus für kleine Filme parat zu haben … ich habe da auch schon so eine Idee für das Lesetagebuch der Kinder (aber das ist eine andere Baustelle).
Ein paar Hinweise zum Schluss
Der Film und alles was dazu gehört veröffentlichte ich hier unter cc-by-Lizenz. Ihr dürft und sollte die Idee und die Materialien gerne weitergeben – offline, in sozialen Medien, ganz wie ihr wollt. Gebt dabei immer an, wo es herkommt – und alles ist gut. Sharing is caring. Ich selbst stehe in keiner Verbindung zur Firma geobra Brandstätter, deren Marke Playmobil ist. Die Männchen habe ich alle selbst bezahlt … bzw. aus dem Kinderzimmer geliehen. Die Idee lässt sich bestimmt auch toll mit anderen Spielzeugserien umsetzen. Es gab sogar mal entsprechende Sets von Lego Education, die aber sehr teuer waren und inzwischen auch vom Markt genommen wurden. ;